Freitag, 3. September 2010

Eintrag Nr. 2 - Von Klinken, Automaten und der Sonne

So langsam komme ich an! Der erste „Kulturschock“ ist bei mir mittlerweile überwunden und es kehrt so langsam aber sicher ein wenig Routine ein. Ich weiß jetzt, wo ich mir einen Tee machen kann und wie ich ins Dorf und auch wieder zurückkomme. Im Moment haben Tina und ich immer noch „Schonzeit“ – das heißt, dass wir erst am Montag anfangen zu arbeiten und dann auch nur mit eingeschränkter Stundenzahl (vier Stunden pro Tag). Unsere Aufgaben hier sind: Kinder zur Schule bringen und abholen, Wäsche waschen, in der Küche helfen, Kinder morgens wecken, waschen, anziehen und abends ins Bett bringen und halt überall da sein, wo gerade Hilfe gebraucht wird. Nach zwei für argentinische Verhältnisse sehr kalten Tagen (geschätzte 5-10° Celsius) ist jetzt zum ersten Mal seit der Ankunft wieder sonniges Wetter angesagt. Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an Mama… der Fleece-Pulli hat’s echt gebracht. Hast mal wieder Recht gehabt. Gestern abend gab es für uns vier neue Freiwillige noch einen „asador“ – Grillabend! Nachdem alle Kinder um neun im Bett waren, wurde der Grill angeschmissen. Daniel, einer der Heimleiter, war voll in seinem Element und die Fleischberge wurden fachmännisch von einer auf die andere Seite gerollt, kontrolliert, zerteilt und schließlich gegessen. Particia, Julio, deren Kinder und andere Angestellte des Heims saßen mit am Tisch und Salate aus Tomaten, Zwiebeln und Wachteleiern, frische Brote und selbstgemachte Soßen machten die Runde… naja, und natürlich: el carne! Tina wurde vom Rest des Tisches mitleidig angeguckt. Selbst Schuld - als Vegetarierin in Argentinien, würde ich sagen. Hehe. Lecker war’s auf jeden Fall und um kurz vor 12 sind wir ins Bett gegangen. Die Nacht sollte allerdings für drei der vier Freiwilligen nicht allzu lang werden, doch dazu später mehr. Vorher erst einmal ein Phänomen hier im Heim: - Türklinken Wer sie hat, hat’s gut, möchte man sagen. Wenn die Tür dann auch noch richtig schließt, hat’s noch besser und wer einen Schlüssel besitzt um die besagte Tür auch noch abzuschließen, befindet sich wohl nicht hier im Heim. Leon und ich besitzen für unser Zimmer eine Tür mir Klinke (Wow!), aber die Tür selbst ist völlig unförmig, sodass sie bei jedem Öffnen und Schließen lautstark über den Boden schrabbt. „Nochmal eben ins Bad“ ohne andere Leute aufzuwecken gestaltet sich hierbei als äußerst schwierig. In Tinas und Deryas Zimmer sieht das mit der Tür(klinke) etwas anders aus. Die Klinke ist nur von einer Seite vorhanden. Jetzt bitte einen kleinen Moment vorstellen, wie man dann sinnvollerweise die Tür öffnet und schließt… Genau – Man öffnet die Tür, zieht die Klinke von außen ab, steckt sie von der Innenseite wieder in die Tür und schließt diese dann. Dumm nur, wenn man das vergisst. Genauso blöd, wenn eine von beiden schon eher schlafen geht und vergisst, die Klinke draußen zu lassen. Ebenfalls schon passiert. Noch dümmer aber, wenn die Klinke der Badezimmertür komplett den Geist aufgibt. So passiert letzte Nacht um vier, womit ich wieder den Bogen zurückspanne. Folgendes Szenario: Tina geht ins Bad, schließt die Tür hinter sich, ist nach ein paar Minuten fertig, möchte wieder raus. Ein Knacken und… nichts! Die Klinke lässt sich in alle erdenklichen Richtungen drehen, doch die Tür öffnet sich nicht. Nach einer Viertelstunde probieren und klopfen, bis Derya wach wurde, geht es mit vereinten Kräften weiter. Doch naja… Tür: 1 – Mädels: 0. Ein paar Minuten später klopfte es dann an unserer Tür. Leon wurde wach und Derya erklärte ihm die Situation. Vom „Tür öffnen“ bei uns im Zimmer wurde ich auch wach, schlief aber sofort wieder ein. Geschätzte zehn Minuten später wurde ich wieder wach… Ein lauter Knall! Tina war wieder befreit. Mädels + Leon: 2 – Tür: 1. Warum 2? Das lässt sich aus den Bildern erschließen. Heute ist Freitag. Freitags ist hier im Dorf immer Tanzen angesagt. Hippies tanzen irgendeinen regionalen Volkstanz, dessen Name mir schon wieder entfallen ist. Derya und Leon waren bereits letzten Freitag da und haben mitgetanzt. Heute werden wir wohl zu viert hingehen. Ich bin ja mal gespannt, was das so gibt. Im Moment (15:40 Uhr nachmittags – 20:40 Uhr deutscher Zeit) sitze ich im Zimmer der Mädels, weil hier das Internet besser funktioniert und weil Leon nach der kurzen Nacht (er musste um ab 7 arbeiten und konnte nach dem Türaufbruch um 4 nicht mehr schlafen) ziemlich müde eine Pause brauchte. Tina und ich hören hier gerade Musik von Manu Chao und freuen uns, dass das Wetter „endlich“ besser, also sonnig, ist. Nach dem Mittagessen waren wir in Cruz del Eje, der nächst größeren Stadt ca. 20km von San Marcos entfernt. Hier nun Phänomen Nr. 2 in Argentinien: - Geldautomaten… Wir wollten Geld abheben, da der Automat hier im Dorf manchmal gar nicht eingeschaltet ist und normalerweise kein Geld ausspuckt und wenn doch, dann nur Kleckerbeträge. Generell ist das hier so eine Sache… Es wird eigentlich alles in bar geregelt und größere Beträge (…wie wir sie abheben müssen, weil drei Monatsmieten und Essen bezahlt werden müssen) sind sehr schwer zu bekommen. In einer größeren Stadt sollte das eigentlich kein Problem sein, aber erst einmal mussten wir anstehen. Zwei Banken, drei Automaten und vor jeder stand eine Schlange von mindestens vier Leuten. Bei den meisten ging es relativ schnell, bei Tina und mir nicht. Pokern war angesagt. Welchen Betrag wird der Automat wohl auf einmal auszahlen können? Klappt der Betrag noch ein zweites Mal? Was, wenn ich die Karte einmal raus- und wieder reinschiebe? Lässt er sich irgendwie überlisten? Was, wenn wir erst an einem und dann am anderen Automaten etwas abheben? Nix! Ab einem bestimmten Betrag war Schluss und zwar überall! Uns wurde erklärt, dass es aus Sicherheitsgründen pro Tag einen Maximalumsatz gebe und wenn der überschritten würde, wäre die Karte für den Tag gesperrt. Pech gehabt! Das Vertrauen in die Banken hier in Argentinien ist aber eh noch ziemlich ramponiert seit der landesinternen Wirtschaftskrise Anfang dieses Jahrtausends. Also müssen wir, was das Geld angeht, immer haushalten und kalkulieren und hoffen, dass der Automat uns mag und glaubt. :D So – ich glaube, dass das vorerst reichen sollte. Auf den Bildern sieht man das Heim, die Straße, die hoch zum Heim und wieder runter ins Dorf führt, die anderen Freiwilligen Tina, Derya und Leon sowie Julio, einen der Heimleiter. Sehr netter und umgänglicher Chef! So sind aber fast alle hier, immer höflich, freundlich und meistens auch geduldig, wenn wir bei dem Akzent und dem Sprachtempo hier nicht alles beim ersten Mal verstehen. Der Ton untereinander ist da manchmal schon etwas ruppiger, um es mal vorsichtig auszudrücken. Valeria, die Köchin, wird den Kindern gegenüber doch sehr schnell laut, wenn man ihr die Ruhe beim Kochen und Essen streitig macht oder wenn man nicht ordentlich am Tisch sitzt. Darauf wird hier besonderer Wert gelegt. Schöne Grüße aus dem – wie gesagt – mittlerweile sonnigen „San Marcos Sierras“ und hasta luego!

Tobi

Und hier einige Bilder vom und ums Heim:

Auf dem Weg von Córdoba nach San Marcos Sierras

Meine drei Mitfreiwilligen - Tina, Leon und Derya
Mein Zimmer - das Bett links ist meins. Oben rechts schläft Leon.
Tina und Leon


Daniel am Grill
Grillabend mit Wein - Tina, Derya und Frieder (Freiwilliger, der jetzt sein Jahr rum hat)

Die Straße runter zum Dorf
Die Einfahrt zum Heim (Hogar) "Sierra Dorada"

Das Haus, in dem wir (die Freiwilligen) wohnen. Das Fenster ganz rechts gehört zu meinem Raum.
Julio (Heimleiter) in der Werkstatt
Marisol auf der Schaukel
Capí (von "Capitán") und Tina
Tina und die Klinke
Nach dem "Aufbruch"
--> Gehörte mal zu einer Badezimmertür

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