Freitag, 10. September 2010

Adiós, mi querida cama… y adiós, Frieder.

…und auf einmal war es weg – mein Bett! Da ist man mal kurz im Büro, kommt wieder und im Zimmer ist es leerer als vorher. Mein Bett ist umgezogen – nach nebenan. Im Zimmer, in dem bis vor kurzem noch die vier „chiquititas“ („kleinen Mädels“) geschlafen haben, ist es nämlich auch leerer geworden. Drei der Mädels, die zwischen vier und sechs Jahre alt sind, sind Schwestern und wohnen gerade zur Probe in einer potentiellen Pflegefamilie in Córdoba. Damit die sechsjährige Nicole nicht alleine ist, wurde Maria Belen vom Schlafsaal der Größeren umquartiert – in Nicoles Zimmer und in mein Bett. So musste ich umziehen in das Etagenbett und merke nun jede Bewegung Leons im oberen Bett. Etwas Eingewöhnung, dann werde ich wohl wieder so gut schlafen wie vorher.

Seit Montag arbeiten Tina und ich nun auch hier im Heim. Spülen, Wäsche auf- und abhängen, die Kinder wecken und aufpassen, dass sie auch aufstehen sowie Schulklamotten für alle raussuchen und zuordnen gehörten bis jetzt zu meinen Aufgaben. Bis jetzt habe ich immer nur morgens von sieben bis um elf gearbeitet, heute werde ich zum ersten Mal nachmittags und abends am Start sein (von fünf bis um neun Uhr abends). Angeblich ist der Dienst nachmittags und abends anstrengender als morgens. In ein paar Stunden kann ich mir dazu dann auch eine Meinung bilden!

Im Heim ist alles soweit in Ordnung. Vorgestern abend waren wir hier zum ersten Mal alle vier eingeladen – außerhalb des Heims. Frieder, einer meiner „Vorgänger“ hier, hatte zur „desperdida“ („Abschied“ – er fliegt am Montagmorgen zurück nach Deutschland) eingeladen – nicht bei sich zuhause, sondern bei einer Freundin hier im Dorf. Gegen zehn Uhr abends begaben Derya, Tina, Leon und ich und zusammen mit Frieder auf den unbeleuchteten und steinigen Weg zum Haus von Fabiana. Gemeinsam mit einem guten Dutzend anderer Freunde wurde dann (was auch sonst…?) gegrillt! Eine der größten Sorgen ist hier anscheinend, dass das Fleisch nicht ausreichen könnte und jemand nicht zu 100% satt wird. Ich weiß nicht mehr, wie oft die Platte voll mit frisch gegrilltem Rind an mir vorbeiging. Ab dem dritten Mal konnte ich nichts mehr nachnehmen, aber die Platte (immer wieder aufgefüllt) drehte noch lange später ihre Runden. Anders als das reichlich vorhandene Fleisch, waren Bier und Wein nicht in allzu rauen Mengen eingekauft worden, sodass nach dem Essen noch einmal von jedem etwas Geld eingesammelt wurde und ein paar Leute sich noch auf den Weg zum Kiosk machten. Ich denke, dass das so kurz vor Mitternacht gewesen sein muss. Dass der kleine Kiosk keine festen Öffnungszeiten hat war mir klar, aber um die Uhrzeit noch geöffnet? Ich war etwas skeptisch, doch ich sollte eines besseren belehrt werden.

Wir kamen mit einigen von Frieders Freunden ins Gespräch und redeten über das Dorf, unsere Arbeit, warum wir nach Argentinien gekommen waren und speziell nach San Marcos Sierras. Eigentlich waren wir vier ziemlich müde und wollten nicht so lange bleiben, doch unsere Stimmung sollte sich ziemlich schnell ändern. Wir saßen im Kreis und nach dem Essen wurde die Gitarre ausgepackt. Die Atmosphäre war unglaublich. Eine Frau fing an zu spielen und sang argentinische und lateinamerikanische Lieder. Ich habe selten so eine Leidenschaft beim Singen und Gitarrespielen erlebt. Bei einigen Liedern stimmten an gewissen Passagen alle mit ein. Es waren teils melancholische Lieder über das harte Leben früher, über Leben am Fluss, über Hochwasser, soweit ich es zumindest verstanden habe. Voller Herzblut wurde gespielt, gesungen und leere Bierflaschen und ein Messer wurden kurzerhand zum Musikinstrument, jemand anders hatte eine Flöte dabei. Eine halbe Stunde später wurde dann der große Holztisch zur Seite geschoben. „Wir brauchen Platz zum tanzen!“, erklärte man uns. Wir bekamen verschiedene Folkloretänze zu sehen. „Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, hat mich irgendwie an eine Art ‚Balztanz’ erinnert“, sagte Frieder in dem Moment zu mir. Ja, auch ich hatte irgendwie den Eindruck und Frieder erklärte weiter: „Und im Grunde ist es auch nichts anderes, hat man mir damals gesagt!“ – wir mussten beide lachen. Kurz vor zwei Uhr war es, als wir uns dann schlussendlich verabschiedeten und uns wieder auf den geschätzte zwanzig Minuten langen Nachhauseweg machten. Frieder und Facundo begleiteten uns noch bis zum Heim. Auf dem Weg liegt der Kiosk, den die anderen schon zwei Stunden vorher geplündert hatten. Das Fenster zur Straße (wie bei einer Bude im Ruhrgebiet) war bereits zu, aber dahinter war ein winziges Fenster auf Kipp offen und dort brannte Licht. Frieder und Facundo wollten gerne noch etwas Wein für einen Absacker zuhause kaufen. Facundo klatschte, Frieder rief ein paar Mal „Entschuldigung?“. Keine Reaktion. Facundo klatschte noch ein paar Mal und als ich in Gedanken schon halb im Bett war, ging auf einmal die Tür auf, eine Frau kam (ziemlich verpennt) aus den Haus und nahm Frieders Bestellung auf. „Manchmal dauert es halt etwas, bis die Besitzer aufwachen, sich angezogen haben und dann herauskommen, aber meistens klappt es“, sagte Frieder. Zum Abschied entschuldigten sich die beiden noch für die Störung und wünschten eine gute Nacht. Die Verkäuferin erwiderte dies und legte sich (wahrscheinlich endgültig für die Nacht) schlafen. Eine Stunde später taten wir das Gleiche.

Gestern hatten Derya und ich unseren ersten „freien Tag“ (wir können einmal pro Woche freinehmen, aber nicht freitags, samstags oder sonntags). Ausschlafen war angesagt und später waren Tina, Derya und ich noch ein wenig spazieren. Das Dorf kennen wir ziemlich gut mittlerweile und manche Ausblicke zwischen den Bergen der Sierras, die uns umgeben, sind wirklich schön. Im Moment sitze ich noch im Zimmer, bevor ich gleich meinen heutigen Dienst anfange. Leon und Tina haben heute frei und sind mit Frieder wandern gegangen auf den Berg „Capilla del Monte“. Ich bin ja mal gespannt auf die Fotos der Drei. Derya und ich werden bestimmt auch noch einmal die Gelegenheit haben, dort hinaufzusteigen.

Das war’s mal wieder… hasta la proxima!


Und hier noch ein paar Bilder der letzten Tage. Beim tollen Gitarrenabend hat Frieder Fotos geschossen. Ich hoffe, dass ich sie morgen bekomme und dann hier hochladen kann.












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