Donnerstag, 9. Dezember 2010

Urlaub! Reisen!

Eindrücke ohne Ende stauen sich da gerade bei mir und ich weiß gar nicht genau wo ich eigentlich anfangen soll. Seit neun Tagen habe ich jetzt Urlaub und in den neun Tagen habe ich so viel gesehen, erlebt, bestaunt. Los ging es am letzten Mittwoch. Abends um 21.15 Uhr nahmen Tina und ich den "Toto" von San Marcos nach Cruz del Eje, wo um 22.30 Uhr unser Bus nach Buenos Aires abfuhr. In der "coche cama" ("Liegewagen") ließ es sich ganz gut aushalten. Knapp zwölf Stunden später kamen wir am "Retito", dem riesigen Busbahnhof der Hauptstadt an. Eine kurze U-Bahn-Fahrt und ein zehnminütiger Fußmarsch später ließ uns dann am Hostel ankommen. Mitten im Zentrum an der "Avenida 25 de Mayo", einer der Hauptverkehrsadern der Stadt, gelegen, waren wir gleich von der ersten Minute an begeistert von unserer Unterkunft. Die Mitarbeiter im Hostel begrüßten und freundlich und zeigten uns nach einem Frühstück auf der sonnendurchfluteten Dachterrasse unsere Betten im 6er-Zimmer, die wir schon um kurz nach elf morgens beziehen konnten. Perfekt! Mit Stadtplan und Reiseführer ausgestattet spazierten wir am Donnerstag dann gleich schon zu einigen Sehenswürdigkeiten. Was in Amerika das "Weiße Haus" ist, ist in Argentinien die "casa rosada" ("Rosa Haus"). Es ist beinahe täglich in den Nachrichten zu sehen und besonders zu Nastor Kirchners Tod war dies der Ort, zu dem die trauernden Argentinier pilgerten. Rund um den Platz vor dem Haus konnte man auch noch viele Parolen diesbezüglich lesen. "Nestor vive" oder "Fuerza Cristina" war dort zu lesen ("Nestor lebt" und "Kraft Cristina" an die aktuelle Präsidentin, seine Frau, gerichtet). Ein wenig später flanierten wir dann am "Puerto Madero" entlang. Der Hafen hat keine wirtschaftliche Bedeutung mehr und ist zum Naherholungs- und Ausgehzentrum der "porteños" (Bewohner Buenos Aires' von "puerto"="Hafen") geworden. Restaurants, Cafés und Eisdielen säumen die Promenaden rund um die ehemaligen Hafenbecken. Etwas nördlich davon befindet sich "San Telmo". Antiquitätenverkäufer, Künstler und Tango-Tänzer halten hier das "alte Buenos Aires" am Leben, auch wenn es an einigen Ecken zwischen den alten Häusern und schmalen Straßen doch schon ziemlich touristisch geworden ist. Trotzdem hat sich das Viertel doch einiges an Charme bewahrt. Hier sollten wir später noch eine sehr nette Begegnung haben, aber dazu später mehr. Abends genossen wir nach dem Abendessen noch die tolle Aussicht von unserer Dachterrasse und Tina und ich verbrachten noch einige Zeit mit einer Flasche Wein in Hängematte und Sitzsack unter freiem Himmel sechs Stockwerke über der immer noch pulsierenden "Avenida 25 de Mayo".

Am Freitag verschlug es Tina und mich zunächst nach Palermo, dem wohl aufstrebensten Viertel von Buenos Aires. Ähnlich wie "Prenzlauer Berg" in Berlin haben hier junge Modedesigner und nette Bars das frühere Out-Viertel ganz nach oben gebracht. Wo früher die Mieten sehr günstig waren, explodieren sie heute und es wird gebaut, gebaut, gebaut. Ein kurzer Gang über die Einkaufsstraße und Fußgängerzone "Florida" und einem Kaffee in einem der unzähligen traditionellen und etwas spießig wirkenden Kaffeehäuser, machten Tina und ich uns dann auf den Weg zum "Buquebus"-Terminal. Mit "Bus" hat das allerdings wenig zu tun. "Buquebus" heißt die Reederei, die den Personenschiffsverkehr zwischen Uruguay und Argentinien betreibt. Gina, eigentlich aus Braunschweig aber im Moment Freiwillige in Montevideo, setze um halb fünf nachmittags Fuß auf argentinischen Boden. Die nächsten fünf Tage würden Gina, Tina und ich gemeinsam zu dritt verbringen, erst in Buenos Aires und dann in Montevideo. Jetzt mal in Kurzform, was wir so gemacht haben:

Freitagabend: "All you can eat"-Abendessen, Dachterrasse, Feiern! Um drei Uhr haben wir uns mit dem Taxi zu einem Club aufgemacht und waren erst um neun am nächsten Morgen wieder im Hostel. Anstrengend, aber es hat unglaublichen Spaß gemacht. Samstag dann noch einmal zum "Puerto Madero" und abends wieder auf die Dachterrasse. Am Sonntag sind wir dann etwas früher aufgestanden, um den wöchentlichen Flohmarkt in San Telmo mitzubekommen. Tango-Tänzer auf dem Platz im Zentrum des Viertels gaben ihr Können zum Besten zwischen unzähligen Ständen, die von alten Büchern über Schmuck und Töpfe bis hin zu Bildern der vielen Künstler so ziemlich alles zum Verkauf anboten. Mit den zwei Mädels im Schlepptau hieß das dann alle paar Meter anhalten, gucken, anprobieren, "hmm... vielleicht doch nicht" und weiter, aber das war in Ordnung. An einem Stand haben Gina und ich dann etwas gefunden. Eine Art "Armband" von einem Hippie-Pärchen selbst gefertigt. Die Verkäuferin kam mir ziemlich bekannt vor. Derya hatte sich vor einigen Wochen in San Marcos an einem solchen Stand ein ähnliches Armband gekauft. Damals war die Frau hochschwanger, in Buenos Aires trug sie ein Baby auf dem Arm. Tina war erst noch skeptisch, ob sie es wirklich sind, aber ich habe dann gefragt und die Frau erinnerte sich ebenfalls an "die Deutsche", die bei ihr das Armband gekauft hatte. 900 km Entfernung, Menschen ohne Ende und doch trifft man auf bekannte Gesichter. Die Welt ist klein, auch hier in Argentinien. Was haben wir sonst noch gesehen? Den Obelisken natürlich, wohl neben der "casa rosada" DAS Wahrzeichen Buenos Aires', umgeben von der angeblich breitesten Straße der Welt - neunspurig in beide Richtungen. Das sind Ausmaße, die man sich bei uns schwer vorstellen kann. In Buenos Aires sind beinahe alle Straßen im Zentrum drei- oder vierspurig und es gibt fast ausnahmslos Einbahnstraßen. Die Stadt ist wie fast alle lateinamerikanischen Städte in "Quadras", also "Blocks" aufgeteilt. U-Bahn-Fahren ist übrigens sehr günstig hier. Zahlt man in Deutschland für eine Einzelfahrt gut und gerne mal 1,50 Euro, kostet es hier gerade einmal umgerechnet 20 Cent. Ist die U-Bahn-Station zur Rush Hour überfüllt, werden manchmal auch einfach die Tore aufgemacht und man fährt kostenlos. Obwohl wir so oft vorher von Leuten aus San Marcos und von unserem Reiseführer gewarnt wurden, habe ich Buenos Aires in den Gegenden, in denen wir uns aufgehalten haben, als sehr sicher empfunden. Mit ein wenig Vorsicht und gesundem Menschenverstand lässt sich die Stadt eigentlich gut und sicher erkunden - so zumindest mein Fazit. Auch die Armut und die Schere zwischen Arm und Reich, die hier deutlich weiter auseinander geht als in Europa, ist mir nicht so stark aufgefallen, wie ich es vorher erwartet hätte. Die sogenannten "Cartoneros" habe ich nur einmal gesehen. "Cartoneros" nennt man hier Menschen, aus den Armenvierteln, die abends in die Stadt kommen und Pappe und Karton sammeln, die die Geschäfte als Müll auf die Straße legen. Die "Cartoneros" sammeln dies und verkaufen es an Händler zum recyclen und verdienen sich so ein wenig Geld. Gesehen habe ich sie, aber so allgegenwärtig wie erwartet waren sie wirklich nicht. Alles in allem hat mir Buenos Aires wirklich gut gefallen und es stimmt, was in den Reiseführern steht: Buenos Aires ist sehr europäisch geprägt - architektonisch und kulturell. Die Häuser könnten gut und gerne auch in Paris oder Madrid stehen und manche Kaffeehäuser würde man genauso in Wien vermuten.

Am Montag ging es dann für uns drei übers Wasser. Mit dem Buquebus-Katamaran setzten wir von Buenos Aires nach Colonia über. Zwei Stempel in meinem Reisepass dokumentieren, dass ich mich nun auf der anderen Seite des Rio de la Plata in einem anderen Land befand - Uruguay. Kulturell den Argentiniern sehr ähnlich, sind die Bewohner der kleinen Landes doch sehr stolz auf ihr Refugium an der Küste eingeengt zwischen dem großen Bruder Argentinien und dem noch größeren Brasilien im Norden. Vier Millionen Uruguayer gibt es, ein Viertel davon lebt in der Landeshauptstadt Montevideo - unserem nächsten Reiseziel. Ein Hostel in Montevideo brauchten wir nicht. In Ginas 18-Personen-Studenten-WG war auch für Tina und mich noch Platz. Das nette Haus befand sich gerade einmal zehn Minuten Fußweg von der Einkaufsstraße "18 de Julio" und fünf Minuten vom Strand am Rio de la Plata entfernt. Die Altstadt, der Hafen und der Strand Montevideos lassen sich eigentlich problemlos an einem Tag erlaufen. Das hat selbst Gina, die schon seit zwei Monaten hier lebt, ziemlich überrascht. Lange nicht so viele Touristen wie in Buenos Aires waren hier in der Altstadt unterwegs, obwohl die Stadt zwar klein, aber doch wirklich nett ist. Wieviele Hauptstädte mit Strand gibt es wohl? Marcos, ein Mitbewohner Ginas, versuchte uns immer wieder mal zu überzeugen, dass Uruguay doch toller, besser, schöner ist als Argentinien. Dass der "mate", den hier alle trinken, doch ursprünglich aus Uruguay komme und dass auch der Tango eigentlich ja urguayisch wär. Es herrscht eine ständige Rivalität zwischen den beiden Staaten und besonders auf der uruguayischen Seite eine gesunde Portion Nationalstolz. Ich habe mir all die Geschichten gerne angehört, weil es ziemlich genau das war, was ich erwartet hatte, und die kleinen Angriffe auf Argentinien, das immer mehr zu meinem zweiten Heimatland wird, nicht so ernst genommen habe.

Mittwoch, 24. November: Flug JJ8047 von TAM Linhas Aereas von Montevideo nach São Paulo. Abflug: 14 Uhr - das hieß für mich: Aufstehen um acht. Obwohl wir mitten in der Stadt gewohnt haben, wollte ich nichts dem Zufall überlassen und wirklich früh genug los. Im Internet habe ich gemeinsam mit Marcos am Abend vorher die Busfahrpläne Richtung Flughafen herausgesucht und obwohl eigentlich genügend Zeit da war und ich wusste wir und wo und wann, ging natürlich zwischendurch doch etwas schief. Ich habe um 9.15 Uhr ein Taxi genommen, das mich zu einem Busbahnhof im nördlichen Stadtzentrum bringen sollte. Von dort fuhren die Stadtbusse zum Flughafen im Halbstundentakt. Obwohl ich es zwei oder drei Mal wiederholt habe und dem Taxifahrer auch versucht habe zu beschreiben, wo dieser Busbahnhof ungefähr liegt, hat er nur genickt und nach "Ja ja"-Manier den Motor des Fiat Panda-Taxis angeschmissen. Zwei Mal habe ich während der nur gut zehnminütigen Taximfahrt noch nachgefragt, ob er sich denn sicher sei, dass es das "Terminal Suburbana" sei, wo ich ja hinwollte. Antwort: "Ja ja". Wo hat er mich dann rausgelassen? Am zentralen Busbahnhof, wo wir auch angekommen waren. Ich wusste, dass von hier nicht die Stadtbusse abfahren, aber es war mir in dem Moment egal. Ich hatte ja noch genug Zeit. Beim Bezahlen wollte der Fahrer mich dann noch ein bisschen betuppen und mir 10 Pesos mehr abknöpfen. Ich habe dann auf's Taxameter gezeigt, mir die Preisliste zeigen lassen und dann passend das Geld rausgegeben, was ihm zustand - mit einem kleinen Trinkgeld. Angekommen im Busterminal habe ich mich durchgefragt, welche Busse denn von dort aus zum Flughafen fahren. Den richtigen Schalter habe ich schnell gefunden. Es war 9. 31 Uhr. Genau um eine Minute hatte ich den Bus verpasst und musste deshalb bis um elf auf den nächsten warten. Zeit für ein Frühstück, um meine uruguayischen Pesos loszuwerden und meinen Magenknurren etwas zu stillen. Um 11.30 Uhr pünktlich kam der Bus dann am Flughafenterminal an. Da der Flughafen nicht besonders groß ist, konnte ich alles schnell und einfach finden. Einchecken und Sicherheitskontrolle ging problemlos und zügig, sodass ich um 14 Uhr wörtlich "den Boden unter den Füßen verlor" und noch einen Blick auf die uruguayische Küste und die Mündung des Rio de la Plata werfen konnte. Viele Wolken, ein leckeres Flugzeugessen (Kartoffelbrei, Brokkoli und Gulasch) und ungenießbar süßen Kaffee später fand ich mich dann beim "Heiligen Paulus" in Brasilien wieder. Einreisestempel, Zollkontrolle und dann stand ich dort. Erstes Problem: Geld! Ich brauchte einen Geldautomaten, um mir ein paar Brasilianische "Real" zu besorgen. Geldautomat Nr. 1 akzeptierte meine VISA-Karte nicht. Geldautomat Nr. 2 hatte ein kaputtes Display und spuckte meine Karte ebenfalls wieder aus. Geldautomat Nr. 3 hatte, wenn ich die Meldung richtig verstanden habe, kein Geld mehr und bei Geldautomat Nr. 4 hatte ich dann endlich Erfolg. Mit Bargeld für Bus und Essen in der Tasche habe ich mich dann am "Information desk" (Ja, es stand dort auf Englisch) erkundigt, wo denn der Bus zum "Barra Funda"-Busterminal abfährt - auf Englisch... auf Spanisch... "Do you speak English?" - "So and so" war die Antwort und was dann folgte war für mich dermaßen unverständlich. Wenigstens die Geste mit ihrem wedelnden Arm habe ich dann doch richtig deuten können. Die Beschilderung auf Portugiesisch war für mich kein Problem, sodass ich bald beim nächsten Schalter stand. Doch dort das gleiche Problem: Spanisch? Nein. Englisch? Kopfschütteln. Auf Spanisch verstanden werde ich hier absolut problemlos. Die Antwort kommt dann immer auf Portugiesisch, was dem Spanischen theoretisch sehr ähnlich ist, praktisch aber so dermaßen anders betont und ausgesprochen wird als geschrieben. Uhrzeit und Bussteig habe ich dann aber im Kauderwelsch herausgefiltert. 17:50 Uhr also auf in den nächsten Bus und rauf auf die Autobahn. Rund um den Flughafen waren noch viele Wiesen, Bäume, viel Grün. Das änderte sich dann, je näher wir der 20-Millionen-Metropole kamen. Fünf oder sechs Mal dachte ich: "Das muss jetzt das Zentrum sein!", aber nein! Hochhäuser ooooooohne Ende. Und es waren nicht die Hochhäuser, wie man sie aus Deutschland kennt. Zwanzig oder dreißig Stockwerke sind in Sao Paulo nicht die Ausnahme, sondern Standart. Platz zwischen den Häusern gleich Null. Im Abstand von nur einigen Metern reihen sich dort die Mietskasernen gen Himmel und das gleich hundertfach. Im Bus wurde ich ein wenig schief angeguckt, als ich meine Kamera ausgepackt und Fotos davon geschossen habe. Ich war irgendwie beeindruckt und fühlte mich auf einmal nach 2,5 Monaten im kleinen Dorf der argentinischen Sierras und sechs Tagen in Buenos Aires und Montevideo extrem klein. Am Busbahnhof "Barra Funda" angekommen fand ich mich relativ einfach zurecht. "Boleteria" (Spanisch) und "Bolheteria" (Portugiesisch) für "Ticketschalter" sind doch recht ähnlich. Nächster Bus nach Marília, wo ich hinwollte: 18.30 Uhr. Ein Blick auf die Uhr: Verdammt! 18:33 Uhr. Um 18.34 Uhr, so verrät es mein Fahrschein, habe ich dann das Ticket gelöst nach Marília - für den Bus um 20.30 Uhr. Zum zweiten Mal am gleichen Tag habe ich einen Bus um nur drei Minuten verpasst. Ärgerlich, aber was soll's. So konnte ich mir in diesem riesigen Busbahnhof mit Menschenmassen so weit das Auge reicht wenigstens wieder ein wenig Wasser und eine kleine Pizza organisieren und so die Zeit herumbekommen. Die Busfahrt von Sao Paulo nach Marília war angenehm und nach guten fünf Stunden fand ich mich dann an einem dunklen, verlassen wirkenden Busbahnhof wieder. Eine handvoll Mitreisender stieg aus, so auch eine Großfamilie, die die mich im Bus umgeben hat und ich wartete darauf, dass mir mein Rucksack aus dem Gepäckfach ausgehändigt wurde. In dem Moment sah ich schon jemanden warten - Joao saß dort auf einer Bank und kam mir entgegen. Er lebt hier in Marília gemeinsam mit seiner Tante. Ihr gehört auch das Auto, mit dem er mich abgeholt hat - ein kleiner KIA. Einen Führerschein hat Joao zwar schon gemacht, aber der Schein ist noch nicht ausgestellt worden. Ohne Führerschein und ohne Kenntnis seiner Tante ist er mich abholen gekommen. Dementsprechend penibel achtete er beim Aussteigen auch darauf, dass alles wieder genauso ist wie vorher. Radiosender, Sitzposition, genaue Parkposition und Spiegel wurden wieder gerichtet und dann aus der Tiefgarage in den Aufzug und zwölf Stockwerke höher. Das Appartment von Joao und Katia, seiner Tante, befindet sich mitten im Zentrum in einem sechzehn-stöckigen Gebäude. Das Appartment ist riesig! Ein großes Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer, ein Büro bzw. Gästezimmer, ein großer Balkon, Küche, Esszimmer, Hauswirtschaftsraum und zwei große und zwei kleine Badezimmer teilen sich hier die beiden. Joaos Tante war bereits am schlafen als wir um zwei Uhr morgens ankamen. So gegen halb vier gingen bei mir dann auch die Lichter aus. War doch ziemlich anstrengend, der Tag!

MARÍLIA, São Paulo, Brazil

Mein erster richtiger Tag in Brasilien begann mit einem erneuten Rundgang durch die riesige Wohnung. Joao stellte mir seine Tante Katia vor und sagte, dass das Mittagessen fertig sei. Die Haushälterin und gleichzeitig Köchin hatte Reis, Fleisch und eine Soße mit Bohnen gekocht. Ja, es gibt hier eine Haushälterin. Sie kommt in der Woche jeden Morgen und kümmert sich ums kochen, putzen, waschen und so weiter. Ich muss sagen, dass das im Moment sehr ungewohnt für mich ist. Besonders am Anfang hat es mich wirklich Überwindung gekostet, nach dem Essen nicht aufzustehen und Teller und Glas abzuspülen, wie ich es aus San Marcos gewöhnt bin. Ein noch viel schlechteres Gewissen hatte ich, als Joao mir gesagt hat, ich könne dreckige Wäsche von mir einfach im Badezimmer liegen lassen. Am nächsten Tag würde die Haushälterin diese dann waschen. Sie übernimmt in großen Teilen die Aufgaben, für die ich im Heim zuständig bin und ich komme mir wirklich komisch vor, dass das hier andere für mich erledigen. Darauf zu bestehen, diese Sachen selber zu machen käme allerdings noch komischer, glaube ich, und Joao sagte, dass die Haushälterin das gerne mache und sich gerne um den Haushalt kümmere und besonders darum, dass es den Gästen gut gehe.

Nach dem Mittagessen haben Joao und ich dann den Bus in einen anderen Stadtteil genommen. Eine Freundin von ihm hatte uns zu einer Art "Gartenparty mit Grillen" eingeladen. Als wir so gegen drei ankamen, war das Grillen schon vorbei und stattdessen wurden die Getränkevorräte langsam knapp. Dementsprechend ausgelassen war die Stimmung unter den gut 20 Freunden, die hier gemeinsam feierten, an einem Donnerstag in der prallen Sonne. Hier war ich auch nicht der einzige Europäer. Dani war ebenfalls dort. Sie ist Austauschschülerin aus Dänemark. Sie spricht - so wie ich - kein oder kaum Portugiesisch und mit ihr, wie mit allen anderen auf der Feier ebenfalls, konnte ich mich problemlos auf Englisch unterhalten, nicht so wie im Flughafen, Busbahnhof oder sonst wo. Sie bleibt ein ganzes Jahr hier in Marîlia und wirkte ein wenig erschrocken am Anfang, als ich sie auf Dänisch begrüßt habe. "Du sprichst DÄNISCH?" - "Nein, nicht wirklich... ich bin Deutscher" und dann ging es auf Englisch weiter. Später (so gegen sechs) haben eine Freundin und ein Freund von Joao und wir beide uns auf ins Einkaufszentrum von Marília gemacht. Joaos Schwester Julia hat uns bereits erwartet. Harry Potter lief im Kino der Shopping Mall und das war unser Abendprogramm. Der 2,5 Stunden lange Streifen wurde uns mehr oder weniger privat gezeigt. Außer uns waren noch zehn andere Leute im Kinosaal. Das war schon nicht schlecht! Englischer Originalton mit portugiesischen Untertiteln ließen auch mich den Film verstehen. Am Freitagabend habe ich dann eine brasilianische "Happy Hour" kennengelernt. Hier bedeutet das nämlich nicht "2 für 1" in einer Bar oder ähnliches, sondern dass man nach der Arbeit abends Freunde oder Verwandte zu sich einlädt und gemeinsam etwas trinkt oder isst. Um 18 Uhr fing die "Happy Hour" dann bei Joao im Appartment an. Zwei Tanten, drei Cousins, die Groß- und Urgroßmutter waren gekommen und wir saßen die meiste Zeit zusammen auf dem Balkon. Da keiner der Gäste Englisch sprach, mussten Joao oder seine Tante die meiste Zeit für mich übersetzen. Hin und wieder habe ich allerdings auch so etwas verstanden. "Der Deutsche isst nichts", kommentierte die 93-jährige Urgroßmutter Joaos. Ich kam mir wirklich vor wie im Film "Maria, Ihm schmeckt's nicht". Das italienische Blut der brasilianischen Familie kommt besonders wenn es um's Essen geht durch. "Ich habe jeden hier essen sehen, nur ihn nicht!" und der Finger zeigte auf mich. Joao und seine Tante mussten lachen. "Kommt auch mal in mein Haus!", folgte dann aber prompt die Einladung zu ihr nach Hause. Nach dem Essen auf dem Balkon hat Joao seine Gitarre geholt und einige Stücke zum Besten gegeben. Bei manchen Liedern haben ausnahmslos alle mitgesungen - teils dreistimmig und Joaos Oma hat angefangen zu tanzen. Das sind wirklich besondere Momente für mich und das Latino-Temperament kommt hier besonders zum Vorschein. Joaos Familie ist wirklich außerordentlich gastfreundlich. Auch wenn die Verständigung mit all seinen Verwandten oft ein wenig kompliziert ist, fühle ich mich hier wirklich wohl und willkommen. Später abends sind Joao und ich dann noch feiern gegangen in den "St. James Pub" - eine Disko am Stadtrand, die ziemlich voll war. Die Medizinstudenten hatten gerade ihre Abschlussprüfungen und haben dort eine Party mit Electro-Musik veranstaltet, was ziemlich selten ist und etwas besonderes für den Club, wie Joao mir erklärte.

Am Samstag waren wir dann bei Joaos Tante Simone zuhause eingeladen. So gegen zwei fuhren wir mit dem Auto zu ihrem Haus. Sie wohnt in der "Garden Park Residence", einer der besten Wohngegenden hier und da kommt man nicht so einfach hinein. Die gesamte Siedlung ist von einer hohen Mauer umgeben und wenn man hereinmöchte, muss man zunächst eine Schranke passieren. Sicherheitsleute rufen dann im Haus an, das man besuchen möchte und versichern sich, dass man auch willkommen ist. So eine “gated community” habe ich vorher auch nur im Fernsehen gesehen. Einmal das Tor passiert, reihten sich hier neue, moderne, große Häuser, manche beinahe Villen, aneinander. Gerade einmal zwei Jahre alt ist die Siedlung und man merkt sofort, dass hier die Oberschicht "residiert". Anders als in "unbewachten Siedlungen" umgeben hier keine hohen Mauern oder Zäune jedes Haus. Wo in Deutschland sonst der Vorgarten mit Buchsbaumsträuchern den Besucher und Briefträger begrüßt, steht man hier meistens vor einer hohen Wand oder einem Zaun. Der Briefkasten ist außen angebracht und die Klingel ebenfalls, sodass man einige Häuser von der Straße aus gar nicht sehen kann. Anders in der “Garden Park Residence”: Die Kinder können auf der Straße spielen, rumtoben, Fahrrad fahren und Fußball spielen. Alles, was in einer deutschen “Spielstraße” normal ist, ist in den meisten Gegenden Brasiliens zu gefährlich. Angekommen in Simones Haus haben wir dann am Pool Platz genommen und es gab leckeres Grillfleisch zu essen und eiskaltes Bier zu trinken. Bier hier in Brasilien wird am besten kurz vorm Gefrieren serviert. Die Kühlschränke haben hier meistens -4 Grad. Jeder hat sein Glas und einmal den ersten Schluck getrunken, sollte das Glas den Rest des Tages nicht mehr leer sein. Ich konnte manchmal gar nicht so schnell gucken, da hatte Simone oder jemand anderes mein Glas schon wieder aufgefüllt. Für die Abkühlung "von außen" sorgte dann der Pool, in dem wir nach dem Essen die Füße baumeln ließen und brasilianische Musik aus dem kleinen CD-Player neben der Bar hörten. Eduardo, Simones Sohn und Joaos Cousin, tobte mit einigen Freunden aus der Siedlung herum und machten zwischendurch aus dem Pool ein Wellenbad. So vergingen die Stunden relativ schnell und als es dann dunkel war und Joao, Katia und ich wieder zuhause im Appartment angekommen waren, ging es noch einmal kurz unter die Dusche, umziehen und wieder los in die Stadt. Treffenderweise “Berlin” hieß die Bar, in der am Samstagabend eine Guns ‘n Roses-Coverband ihren Auftritt hatte. Joaos Schwester Julia wollte unbedingt hin und Joao und ich haben zugesagt, sie zu begleiten und das hat sich gelohnt – alleine der Blick auf die Getränkekarte hat schon leichte Heimatgefühle geweckt. “Krombacher” war eine der 18 verschiedenen deutschen Biersorten im Angebot – und das teuerste. 14 Brasilianische Real – das sind nach aktuellem Umrechnungskurs ganze 6,30 Euro und damit eindeutig zuviel für 0,33 Liter Bier. Sei’s drum – die Bar war sehr nett eingerichtet. Auf Barhockern Platz genommen, war ich auf einmal umgeben von deutschen Zeitungen, die als Tapete die Wände zierten. Von “Riester-Rente” und “Wer wird Millionär” wurde da in der Süddeutschen berichtet. Hinter mir war dann ein kleines Stück Mauer nachgebaut – ganz im Berliner Stil. Um 1.30 Uhr ging das Konzert los und die kleine Bar begann zu beben. Es gab unten vor der Bar einen Bereich. Im zweiten Stock umgaben dann Balkone von allen Seiten die Tanzfläche und auf einem dieser Balkone spielte die Band. Wir haben zunächst auf der Treppe gestanden, uns aber dann relativ schnell nach unten begeben. Hier konnte man die Band deutlich besser sehen und man konnte atmen und den Nachbarn verstehen, wenn er einem ins Ohr gerufen hat. Das ging oben nicht. So gegen halb vier fuhren Joao und ich dann mit dem Auto gen Wohnung, doch nicht auf direktem Weg. Eine kleine Schleife über die sogenannte “Lanches”-Straße musste sein. Eine “lancha” ist hier eine Art Pommesbudde, die am Straßenrand geparkt ist. Plastiktische und –stühle stehen daneben und dort kann man dann die gesamte FastFood-Palette bekommen, doch nicht nur dort. Bleibt man einfach im Auto sitzen, kommt sofort eine Bedienung an die Scheibe, reicht eine Karte herein, man bestellt und kurze Zeit ist das Essen gut verpackt im fahrbaren Untersatz – “McDrive” auf brasilianisch.

Der Sonntag verlief ähnlich wie der Samstag – aufstehen, Mittagessen und auf in Simones Haus und an den Pool, doch nicht für lange Zeit. Später waren wir noch bei Simones Nachbarn eingeladen – Haus und Pool waren noch ein oder zwei Nummern größer als bei Simone und statt des CD-Players auf der Terrasse hing hier ein Flachbildfernseher an der Wand, auf dem Musik-DVDs von Konzerten liefen. Die Kinder tobten im und um den Pool rum, während der Nachbar Simones sich mit mir auf Englisch unterhielt. Er erzählte mir von Reisen nach Paris, Madrid, dem letzten Schiurlaub mit der Familie in Chile, seinem neuen Auto, seiner Firma und (vor allem) von seinem Haus. Ich habe schnell einen Unterschied zwischen ihm und Joaos Familie bemerkt. Joao und seine Familie nagten offensichtlich alles andere als am Hungertuch, aber ließen es sich nicht anmerken. Unterhaltungen mit ihnen drehten sich um die Kinder, die letzte Folge der Telenovela am Abend vorher, Unterschiede zwischen Brasilien und Deutschland und so weiter, während der Gastgeber hier fast ausnahmslos über Geld und seinen Erfolg redete. Natürlich bedankte ich mich bei ihm für die Einladung und war dankbar für die Gastfreundschaft, die er mir entgegenbrachte, doch zugegebenermaßen war es mir nach einer Zeit etwas unangenehm und ehrlich gesagt auch langweilig, mir anzuhören, wie teuer dies und das und jenes in seinem Haus war. Natürlich ließ ich mir das nicht anmerken und hörte höflich weiter zu. Ein bisschen später fragte Joao mich dann im Pool, was ich von dem Mann hielte. Auch er hatte ihn zum ersten Mal getroffen. Ich sagte, dass er sehr nett und freundlich sei und dass es toll ist, dass er uns eingeladen hat, aber das er viel über Geld spreche. Joao nickte zustimmend und sagte, dass auch ihm und seiner Familie das aufgefallen ist und das ihnen das ebenfalls unangenehm ist. Als zu späterer Stunde dann eine Samba-DVD eingelegt wurde, gab es vor allem für die Frau des Gastgebers kaum noch ein Halten. Sie tanzte ausgelassen um den Pool herum und auch Joaos Tanten, er selbst und der Nachwuchs ließen sich davon anstecken. Es war Sonntagabend so gegen zehn Uhr abends. Die Kinder wurden gegen zwölf ins Bett geschickt, die Erwachsenenen machten weiter, bis das letzte (eiskalte) Bier aufgetrunken war. Das war so gegen zwei Uhr morgens. “Das ist schon sehr ungewöhnlich”, sagte Joao mir hinterher. Schließlich mussten alle außer uns beiden am nächsten Morgen arbeiten oder zur Schule. Schluss war um zwei für Joao, Simone und mich allerdings noch nicht. Katia verabschiedete sich und fuhr nach Hause ins Appartment, während Joao und ich es und mit Simone noch einmal auf ihrer Terrasse gemütlich machten. Der Biervorrat im Kühlschrank Simones war noch nicht aufgebraucht und müde waren wir auch noch nicht... Beides änderte sich dann so gegen halb sechs Uhr morgens.

Die neue Woche begann damit, die Innenstadt ein wenig kennenzulernen. Die Einkaufsstraßen einmal rauf und runter, am Rathaus vorbei und ehrlich gesagt – das war es auch schon mehr oder weniger. Eine “Altstadt” gibt es im gerade einmal 80 Jahre alten Marília natürlich nicht und man kann dem Stadtbild ansehen, dass die Stadt schnell und mehr oder weniger “unkontrolliert” gewachsen ist und dies auch immer noch tut. Im Zentrum weichen Einfamilienhäuser den 15- und mehrstöckigen Hochhäusern und eine effektive Stadtplanung hätte bestimmt einige Dinge verhindert. Platz für Spielplätze, Parks, Grünflächen wurde eigentlich gar nicht gelassen. Die Straßen sind oft verstopft und woran liegt das? An der Korruption, sagt Joao. Jemand möchte ein Haus bauen, er kennt oder schmiert die richtigen Leute in der Stadtverwaltung und so kommt er schnell und unkompliziert an Baugenehmigungen und so weiter. Leider sei das in Brasilien beinahe überall so und das sei auch ein Grund, warum er gerne nach Deutschland möchte. “In Deutschland funktioniert einfach vieles einfacher und korrekter als hier”. Brasilien sei eines der Länder, in dem die Menschen am meisten Steuern zahlen. “Aber auch in Deutschland zahlt man hohe Steuern”, habe ich entgegnet. “Ja”, meinte darauf Joao, “aber in Deutschland bekommt ihr etwas dafür – Straßen, Infrastruktur, ein soziales Sicherungssystem. All das sind Dinge, wo Brasilien noch große Probleme hat” – für mich war das nachvollziehbar. “In Brasilien verschwinden Steuergelder einfach” und das in die Taschen einiger weniger, die sich dann davon ein schönes Leben machen. Klagt man in Deutschland über Steuern, Politik etc., dann ist das verglichen mit anderen Ländern auf einem sehr hohen Niveau. Das wusste ich bereits, bevor ich nach Lateinamerika gekommen bin und doch ist es etwas anderes, so etwas auch zu sehen und dann zu verstehen – und auch Brasilien ist - was das angeht - noch deutlich besser dran als sehr, sehr viele andere Staaten. Auch das ist mir bewusst.

Viel zu schnell ging die Woche vorbei und am Donnerstag musste ich schon wieder meinen großen Rucksack zusammen packen. “Leider” habe es die Haushälterin nicht mehr geschafft, meine T-Shirts, die sie zuletzt gewaschen hat, noch für mich zu bügeln. Ich wusste kaum, was ich darauf antworten sollte und erklärte, dass es überhaupt kein Problem sei und bedankte mich dafür, dass sich die Haushälterin so gut um meine Wäsche gekümmert hat. Was ich ihnen nicht erzählt habe: Ich habe hier in Argentinien noch nicht ein einziges meiner T-Shirts gebügelt. Bügeleisen und Bügelbrett (von anno dazumal) gibt es im Heim zwar, aber die werden auch nur für die Schulkittel und Hemden verwendet. Würde ich dort anfangen, T-Shirts zu bügeln, würde ich höchstwahrscheinlich mehr als schief angeguckt.

Natürlich konnte ich nicht “einfach so” von dannen ziehen. Wie bereits am Freitagabend gab es auch am Donnerstag darauf eine “Happy Hour” für mich. Uroma, Oma, Tanten, Cousins und Freunde Joaos tummelten sich wieder auf dem Balkon und die Skol-Dosen zischten in kurzen Abständen. Nachdem die zwei Pizzas dann auf dem Tisch standen, nahm ich dieses Mal ein großes Stück, warf der 93-jährigen Urgroßmutter auf dem Stuhl gegenüber einen Blick zu und Biss herzhaft hinein. Schließlich sollte es nicht noch einmal heißen, “der Deutsche” esse nichts. “Der Deutsche” – das war noch so eine Sache. Nach und nach rückten die Verwandten Joaos im Laufe der Woche damit heraus. “Und der ist wirklich Deutscher?”, hörte ich häufig aus dem Mund der Tante, vor allem aber der Oma oder Uroma. “Aber der ist weder blond, noch dick”, hieß es dann und es folgte Gelächter. Ich war froh, dass ich das auf Portugiesisch verstehen konnte. Ich hätte doch so dunkle Haare und ob ich denn nicht irgendwo südländisches Blut in meiner Familie hätte. Ich sagte: “Nicht, dass ich wüsste” und gebe hiermit die Frage weiter. Wer weiß? In einem Punkt habe ich die Vorurteile über Deutsche der brasilianischen Familie jedoch nicht enttäuscht – ihrem Takt im Biertrinken konnte ich standhalten. “Er ist Deutscher. Die trinken Bier wie Wasser” – ich denke, damit lässt es sich doch besser leben als mit “Er ist Deutscher. Die sind blond und dick”, oder? Als dann die Pizza aufgegessen war und sich alle auf dem Balkon versammelten, hörten mit einem Mal die Gespräche auf. Aus einer großen Tüte wurde ein Paket herausgeholt. Ich war völlig perplex, als sich dann die gesamte Familie bei mir für meinen Besuch bedankte und mir ein Abschiedsgeschenk überreichte. Ein Set mit Kulturbeutel, Perfüm, Seife und einer Bodylotion – natürlich eine brasilianische Marke – wurde mir überreicht. Den Duft hatte Joao mir vorher schon einmal unter die Nase gehalten als wir gemeinsam im Einkaufszetrum waren. Doch das war noch nicht alles: Eduardo, Joaos kleiner Cousin, überreichte mir noch eine Tüte. Darin: Ein weißes T-Shirt, auf dem in großen Lettern “BRASIL” geschrieben war. Ich war sprachlos für einen Moment, Joao musste schmunzeln und ich bedankte mich bei jedem einzeln, um dann kurz zu verschwinden. Auch ich hatte eine Kleinigkeit vorbereitet. Im Einkaufzentrum hatte ich einige Fotos von meiner Kamera entwickeln lassen. Es waren einige wirklich schöne Bilder von der ersten “Happy Hour” und einem Abend im Restaurant dabei, auf dessen Rückseite ich dann ein paar Zeilen zum Dank geschrieben hatte. Außerdem hatte ich noch eine große Tafel Milka-Schokolade dabei, die ich am Nachmittag im Kühlschrank versteckt hatte. Joao musste widerum grinsen. “Alles richtig gemacht”, meinte er als ich die Fotos verteilte und zeigte mit dem Daumen nach oben. “Du hast unsere Familie herumgekriegt” (würde die deutsche Übersetzung ungefähr lauten) war das, was die Urgroßmutter mir zum Abschied sagte. Alle wünschten mir eine gute Reise zurück nach Argentinien, bedauerten, dass ich nicht zur Familienfeier am nächsten Abend bleiben könne, bedankten sich für die Schokolade und die Fotos und sagten, ich sei jederzeit wieder herzlich willkommen. Mehr und mehr leerte sich das Appartment dann, bis am Ende wieder nur Katia, Simone, Eduardo, Joao und ich übrig blieben. Eduardo schlief wieder vor dem Fernseher und wir vier saßen noch draußen auf dem Balkon, während Joao Gitarre spielte und wir (teils sogar mehrstimmig) mitsangen. Katia und Simone schliefen wenig später ebenfalls ein. Es war kurz nach vier Uhr morgens, als ich noch eine Dusche nahm, den letzten Kram zusammenraffte und dann um 5.15 Uhr zusammen mit Joao Katia wieder aufweckte. Sie brachte mich zum Busbahnhof, wo um sechs Uhr morgens mein Bus nach Sao Paulo abfuhr. Nach einer so ereignisreichen und tollen Woche fiel der Abschied dann nicht ganz so leicht. Ich wäre gerne noch länger geblieben, aber auch der schönste Urlaub ist natürlich irgendwann einmal vorbei. “Obrigado” (“danke”) sagte ich noch einmal zu Joaos Tante, bevor der Doppelstockbus dann aus dem Busterminal herausmanövrierte und sich 430 Kilometer Richtung Osten begab.

Der Rückweg...

...war stressiger als ich dachte. Obwohl der “Halbliegesitz” im Bus sehr bequem war, konnte ich wo die Sonne nun einmal aufgegangen war kaum schlafen. Mit dem MP3-Player voller brasilianischer und argentinische Musik ließen sich die ersten Stunden aber gut überbrücken. Aus dem Fenster blickte ich noch einmal auf die hügelige und grüne Landschaft zwischen den großen Städten und wurde dann so ab elf Uhr etwas nervös. Mein Flieger sollte um 16.25 Uhr gehen. Planmäßig hätte ich so gegen 12 Uhr mittags in Sao Paulo am Busbahnhof ankommen sollen. Hätte. Freitagmittag, Autobahn, 20 Millionen Einwohner – schlechte Kombination. Mit anderthalb Stunden Verspätung rollte der Bus am “Barra Funda terminal rodoviaria” an. Die Gepäckklappe wurde aufgemacht und wie hätte es anders sein sollen – mein Rucksack war natürlich GANZ hinten und wurde nach zehn Minuten Entladen als letzter aus dem Kofferraum geholt. Spitze! Zeit bis zum Flug: Noch drei Stunden – genug, möchte man sagen, doch ich war ja noch (lange) nicht am Flughafen angekommen. Der war nämlich 36 Kilometer vom Busbahnhof entfernt – am anderen Ende (wenn es das in Sao Paulo überhaupt gibt) der Stadt. Rennend begab ich mich mit Gepäck auf den Weg zum Ticketschalter, um einen Fahrschein für den Shuttlebus zum Flughafen zu kaufen. Die spanisch-portugiesische Konversation verlief dann ungefähr so:

“Wann fährt der nächste Bus?” - “In vier Minuten”

“Wie lange braucht er zum Flughafen?” - Circa anderthalb Stunden

“Bussteig?” – “26”

“Kostet?” – “32 Real”

“GUT! DANKE! TSCHÜSS!”

Drei Treppen gingen runter zu den Bussteigen. Nach der ersten warf ich einen Blick auf das Ticket. Es war die falsche Abfahrtszeit eingetragen – eine Stunde später. Schwitzend die Treppe wieder herauf (lange Jeans war im klimatisierten Bus noch nötig, bei 30°-Mittagshitze jedoch mehr als unpraktisch) drängelte ich mich an ein paar anderen Leuten vorbei, winkte, drückte das Ticket an die Scheibe und fragte nur: “Uhrzeit falsch???” – Antwort: “Das ist egal. Geht auch so.” – was ich dann gemacht habe, sollte man sich jetzt denken können. Rucksack wieder ins Gepäckfach und rein in den Bus. Etappenziel erreicht! Zeit: 13:40 Uhr und der Bus setzte sich in Bewegung, quälte sich über die verstopfte Autobahn zum nächsten Busbahnhof “Tietê”, der sogar noch größer war als “Barra Funda” und dann Richtung Flughafen. Amsterdam Shipol geisterte durch meinen Kopf. Mir gegenüber im Bus hörte ich dann wieder eine mittlerweile vertraute Sprache. Wie ich vermute Oma und Enkelsohn waren ebenfalls auf dem Weg zum Flughafen und sprachen Spanisch – mit spanischem Akzent. Wo denn der Bus am Flughafen halte, fragte mich die Dame und ich antwortete, dass er zwischen den beiden Terminals halten werde. “Kommt der auch aus Spanien?”, drehte sich der Junge zur Frau um. “Frag ihn doch mal”, sagte sie, doch dazu war der Kleine zu schüchtern. “Nein”, erklärte die Frau. “Ich glaube nicht, dass er aus Spanien kommt” und blickte mich fragend an. Ich nickte. “Fliegt er denn auch nach Spanien?”, kam die nächste Frage von der Seite. “Nein, ich fliege nach Argentinien”. Ebenfalls eine Sache, die hier in Lateinamerika generell etwas anders ist als in Deutschland. Man kommt mit den Menschen einfacher ins Gespräch – im Bus, in der Schlange an der Supermarktkasse, in der Eisdiele. Hier wird man eher komisch angeguckt, wenn man schweigt, ganz bestimmt nicht, wenn man eine Unterhaltung anfängt. Das gefällt mir eigentlich sehr, nur war ich in dem Moment in Gedanken schon auf der Suche nach meinem Check-In-Schalter. Die prophezeiten anderthalb Stunden Busfahrt blieben auch anderthalb Stunden und einen 5-Minuten-Marsch von Terminal eins nach zwei später fand ich das Schild meiner Airline “pluna”. Nur drei Leute waren vor mir in der Schlange. Um 15.25 Uhr war mein Gepäck auf dem Band und ich gab in einem Kiosk meine letzten Brasilianischen Real aus, bevor ich mich (mittlerweile etwas entspannter, aber immer noch unter Strom) auf den Weg durch die Sicherheitskontrolle und dann zur Passkontrolle der sonst so ernsten Grenzpolizei machte. Die Dame an Schalter 12, die mein biometrisches Verbrecherfoto begutachtete war ein wenig in Gedanken. Statt des “Ausreisestempels” griff sie beherzt zur kleinen Thermo-Trinkflasche die direkt daneben stand und dessen Oberseite der des Stempels glich, und haute die Flasche auf meinen Pass. Wir beide mussten herzhaft lachen und dann trocknete die Tinte “Saída 03-12-2010” doch noch auf der grünen Seite in meinem Reisepass. Ich bedankte mich. Sie wünschte mir einen guten Flug und bedankte sich ebenfalls – wofür, da bin ich mir nicht ganz sicher.

Der Flug verlief dann mehr oder weniger reibungslos. Ich habe gemerkt, dass ich bei Turbulenzen besser schlafen kann als ohne und gute zwei Stunden später befand ich mich wieder am Carrasco aeropuerto internacionál de Montevideo, wo ich etwas mehr als fünf Stunden Aufenthalt hatte, bis dann um 0:10 Uhr Ortzeit mein Anschlussflug nach Córdoba die Startbahn verließ. Anderthalb Stunden später, durch Zeitverschiebung allerdings erst 0:40 Uhr ging es dann zum letzten Mal zur Pass- und Zollkontrolle und ich kam da an, wo ich vor gut drei Monaten zum ersten Mal angekommen war – am kleinen Flughafen von Córdoba. Diesmal wartete allerdings kein Julio auf mich, der Tina und mich mit dem Bulli abholte. Ich stellte mich in die Schlange an den Taxistand und kramte einen Zettel aus meiner Tasche mit der Adresse von einem Hostel, in dem ich den Rest der angebrochenen Nacht verbringen würde. Eine blonde junge Frau sprach mich hier von der Seite an. “Sprichst du Spanisch?”, fragte sie. “Ja”, antwortete ich und sie fragte ob ich “Tourist” sei und wir uns ein Taxi in die Stadt teilen sollten. Perfekt! So muss ich nicht alleine nachts hier Taxi fahren, was unter Umständen gefährlich sein kann und als offensichtlicher “Nicht-Argentinier” auch teuer werden kann, wie Tina und ich es schon einmal erfahren haben. So ist es günstiger und angenehmer. Schnell bekamen wir ein Taxi. Wo ich denn herkäme, wollte sie wissen. “Deutschland”, antwortete ich, “und du aus Finnland, oder?” – Treffer. “Woran hast du das bemerkt?” Ich schob es auf ihr Aussehen uns wollte ihr nicht sagen, dass sie einen leichten finnischen Akzent hatte. Córdoba ist die Stadt der Sprachschulen hier in Argentinien. Viele Ausländer kommen hierher, um Spanisch zu lernen. Sie hatte dies ebenfalls vor ein paar Jahren getan, wie ich im Taxi erfuhr, arbeite mittlerweile aber in der finnischen Botschaft in Santiago de Chile und war nach Córdoba geflogen, um dort Freunde von früher zu besuchen. Ich erklärte ihr ebenfalls, was ich in Argentinien mache, wie lange ich dort bin und sie wollte wissen, ob ich denn direkt in Córdoba wohnen würde. “Nein. Ich wohne in einem kleinen Dorf 150 Kilometer nörlich von hier in der Nähe von Cruz del Eje und Capilla del Monte. Es heißt San Marcos Sierras”, gab ich zurück. “Ahh, bien conocido”, (“wohl / sehr bekannt”) hieß es da von ihrer Seite und ein Blick auf den Tacho bestätigte meine Vermutung. Es war bereits dreistellig. In einer 40er-Zone. Innerorts. Der Gurt schloss nicht richtig. Ich hielt mich mit der Hand am Dach des Autos durch das einen Spalt weit offene Fenster fest, ließ es jedoch schnell wieder bleiben aus Angst gleich die halbe Verkleidung lose in der Hand zu halten. Ich war schon wieder überrascht, was für Wellen “mein kleines Dorf”, in dem ich hier lebe doch schlägt. Selbst in Buenos Aires haben wir mit Leuten gesprochen, die schon einmal dort gewesen sind und ich meine jetzt nicht die “Hippies”, die handgemachten Schmuck auf dem Flohmarkt verkauft haben. Umgerechnet sechs Euro kostete mich anteilig die gut zwanzig Kilometer lange und gut 15-minütige Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt. Ich glaube, in meinem Reisefüher steht “Taxi Zentrum-Flughafen ca. 35 Minuten”. Kaum hatte ich an der Tür zum Hostel geklingelt, ging die Tür auf und die Treppe herunter kam mir ein bekanntes Gesicht entgegen – Leon hatte das Hostel gebucht und was für mich zu Ende ging, fing für ihn am 4. Dezember an. Sein Urlaub mit einer (sei mir nicht böse für die Formulierung, Leon) “Wandertour” durch Patagonien und Feuerland sollte am nächsten (bzw. gleichen, denn es war mittlerweile kurz vor zwei Uhr nachts) Morgen beginnen. Dass wir die Nacht im Hostel verbringen war eigentlich nicht so geplant, doch durch eine Terminänderung einer Veranstaltung des Heims ließ es sich (zunächst “leider”, eigentlich aber “Gott sei Dank!”) nicht verhindern. Eigentlich war es geplant, dass ich noch am gleichen Abend mit Julio, der ebenfalls in Córdoba war, zurück nach San Marcos fahre. Terminänderungsbedingt (ß so eine Konstruktion ist im Spanischen unmöglich und sehr schwer für Ausländer, die deutsch lernen zu verstehen) fiel das aber flach, sodass Leon das Hostel buchte und wir uns nachts noch auf ein Bierchen auf die Terrasse im Hostel in Córdoba setzten. Ich erzählte von meinem Urlaub, er von dem, was so im Heim in den letzten zwei Wochen passiert ist. Um drei, als mir dann nach knapp 40 schlaflosen Stunden beinahe die Augen auf den Stuhl zufielen, gingen wir dann ins Bett. In dem 6er-Zimmer lag bis jetzt erst ein anderer im Bett. Der Rest war feiern. Es war ja schließlich Freitag. Ich hingegen hätte an kaum einem anderen Ort in dem Moment glücklicher sein können. Ich bin schneller als “sofort” eingeschlafen, wurde kurz um sechs von Leon geweckt, der sich verabschiedete, schlief sofort wieder ein und machte die Augen dann um zwölf wieder auf und das Zimmer war bereits wieder leer. Straßenlärm, Sonnenlicht, Leute, die vom feiern morgens früh nach Hause gekommen waren – NICHTS von alledem konnte mir wecken, sodass ich den Check-Out verpasst habe und ein bisschen draufzahlen musste, weil ich verschlafen hatte. Das war es sowas von wert! Am späten Mittag ging ich in einem kleinen Straßencafé um die Ecke des Hostels frühstücken. Neben Schlaf hatte es mir auch ein wenig an Essen gemangelt. Ich war zu geizig, mir vom Flughafenrestaurant das Geld für ein richtiges Essen “aus der Tasche ziehen” zu lassen (die Preise waren mehr als doppelt so hoch wie normal in Uruguay oder Argentinien) und nachts im Hostel angekommen, hatte die Müdigkeit über den Hunger gesiegt. Sandwiches mit Käse und Schinken, ein Croissant und ein großer Kaffee standen kurze Zeit später (ich glaube, ich hatte mittlerweile gut 20 Stunden nichts mehr gegessen) draußen vor mir auf dem Tisch, von dem ich die große “Avenida General Paz” beobachten konnte. Nach dem dritten der vier Sandwiches und dem kleinen Croissant war ich satt und trank in Ruhe den Kaffee auf, als ein kleines Mädchen auf einmal vor mir stand und mir Socken oder Schmuck verkaufen wollte. Sie sah ungewaschen aus und wirkte ziemlich trist. Sie mag vielleicht acht oder neun Jahre alt gewesen sein. Ihre Kleidung war dreckig. Sie hielt mir ihre “Waren” zum Verkauf hin. Ich wollte ihr nichts abkaufen, weil das Geld, was sie verdient traurigerweise ja doch bei Eltern oder erwachsenen Verwandten landet, die sich dann doch nicht immer das kaufen, was eigentlich gerade am nötigsten wäre. Mir gingen in dem Moment viele Dinge durch den Kopf. Ich erinnerte mich an einen Moment in der U-Bahn in Buenos Airs. Ein Straßenmusiker bestieg mit seinem kleinen Sohn das Abteil. Vater spielte Gitarre – Sohn sang. Als der Kleine hinterher durch die Menschen ging, um Geld zu sammeln, sah ich wie eine Frau in ihrer Tasche kramte und etwas herausholte. Es war kein Geld, sondern ein Lutscher. Der Junge freute sich und ich hielt das für eine nette Idee. So fand ich mich also in einer ähnlichen Situation wieder und ich handelte ebenfalls ähnlich. Das letzte meiner Sandwiches lag noch vor mir. “Möchtest du?”, fragte ich das Mädchen und hielt ihr den Teller hin. Ohne einen Ton zu sagen und mit einer schnellen Handbewegung zog sie das Brot vom Teller und biss hinein. Nachdem sie auch an den anderen Tischen im Café versucht hatte, etwas zu verkaufen, kam sie noch einmal bei mir vorbei. “Aceituna?”, fragte sie leise. Es lag noch eine Olive auf dem Teller, die ich ebenfalls nicht gegessen hatte. “Tomala” (“Nimm sie dir”), sagte ich und fluchs verschwand die Olive und mit ihr das kleine Mädchen. Dies war ebenfalls eine wertvolle Begegnung für mich. Eine ganze Reihe der Kinder im Heim ist unter exakt den gleichen oder sehr ähnlichen Voraussetzungen aufgewachsen, bevor es nach San Marcos kam. Das Mädchen tat mir Leid und ich fragte mich, wie es in ihrer Familie wohl aussieht, wenn sie denn eine hat oder ob sie sich alleine auf der Straße durchschlägt. Im Getummel der breiten Bürgersteige voll von Menschen gehen Kinder wie das Mädchen leicht unter. Die vielen Leute, die auf der Straße Lotterietickets, Socken, Zeitungen, Eis, Empanadas oder sonstiges verkaufen bemerkt man nach einer Zeit kaum noch.

Nachdem ich mein Frühstück bezahlt hatte, machte ich mich satt auf den Weg zurück ins Hostel, schnappte mir mein Gepäck und trat die allerletzte Etappe meiner Reise an. Mit dem Stadtbus ging es zum Busbahnhof in Córdoba. Ticket nach Cruz del Eje gekauft, wartete ich noch anderthalb Stunden auf den Bus, stieg in Cruz del Eje noch einmal um und war am Samstagabend um kurz vor acht wieder in San Marcos Sierras und just in dem Moment fing es an zu regnen, sodass ich auf den letzten Metern zum Heim noch einmal nass wurde. Als ich dann mein Gepäck im Zimmer verstaut hatte, ging ich in den Essenssaal, wo die Kinder beim Abendbrot saßen. Ich hatte die Tür noch nicht ganz auf, da fielen mir schon ein paar um den Hals. “Tio Toooobi” (“Onkel Toooobi”) riefen vor allem die Kleinsten und wollten mich fast nicht mehr loslassen. In Gedanken noch halb in Brasilien, blieb mir nach dem Essen nicht allzu viel Verschnaufpause. Tina, Kathi und einige Freunde aus dem Dorf wollten nach Cruz del Eje ins “Chocolate” fahren. So heißt eine Disko bzw. eine “boliche” hier. Wir waren vorher noch nie da und haben schon einiges von dem Club gehört. Obwohl ich noch ziemlich müde war, bestand Tina darauf, dass ich mitkomme und das hat auch gut geklappt: Zu siebt in ein Taxi. Aber nix mit Großraum: “VW-Gol” (nein, ich habe das “f” nicht vergessen, der heißt wirklich so und ist kleiner als ein Golf und größer als ein Polo) hieß unser Untersatz und kam so vollbeladen kaum den nächsten Hügel hoch, aber es ging doch irgendwie. Im Hellen ging es dann im gleichen Taxi wieder zurück und ich fiel erneut ins Bett, ähnlich wie die Nacht zuvor in Córdoba, doch war jetzt etwas anders: Da Leon jetzt Urlaub hat, habe ich für zwei Wochen das Zimmer für mich alleine. Seit über drei Monaten habe ich jetzt schon nicht mehr alleine in einem Zimmer geschlafen. Das ist auch mal nicht schlecht. So kann ich zum Beispiel, wie ich es jetzt gerade mache, bis um 4.20 Uhr morgens an meinem Blog schreiben, ohne jemanden zu stören. Morgen ist mein freier Tag, deswegen kann ich mir das heute mal erlauben. In Deutschland sind die meisten jetzt bei oder auf dem Weg zur Arbeit. Zu Schulzeiten wäre ich jetzt am frühstücken.

Sonnige und gebräunte Grüße aus kurzer Hose und Flip-Flops ins verschneite und kalte Deutschland!

Tobi

P.S.: Seit heute haben wir hier im Essenssaal auch Weihnachtsdekoration. Die Plastiktanne mit viel zu vielen Kugeln steht dort in der Ecke. Komisches Gefühl! Weihnachtsstimmung? Eher so gar nicht.

P.P.S.: Bilder kommen nach!

1 Kommentar:

  1. oh wow....
    blutige finger nachm schreiben? egal, hat sich gelohnt, hm?
    tolle reise, toll geschrieben, toll!

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