Am 24. Mai ging diese Nachricht an mein komplettes E-Mail-Adressbuch und die Resonanz hat alle meine Erwartungen übertroffen! Viele haben auf den Spendenaufruf reagiert und zusammen mit den Spenden der anderen Freiwilligen haben wir genügend Geld gesammelt, um gleich zwei Ausflüge zu organisieren. Mit den „Medianos“ (= Kinder im Grundschulalter) sind wir an einem Freitagabend vor zwei Wochen ins Kino nach Cruz del Eje gefahren. Der neueste Streifen der „Fluch der Karibik“-Reihe stand auf dem Programm. Júlio fuhr uns alle im Bulli zu dem kleinen, alten Kino, was in Deutschland an sich schon eine Attraktion wäre. Kein großes Cinemaxx, Cineplex oder wie die Riesenkinos in Deutschland heißen, sondern ein kleines Lichtspielhaus mit einem Saal. Karten, Cola und Süßigkeiten wurde alles an der Kasse verkauft. Die Sitze waren noch echte „Reihen“ wie früher. Positiv gesehen könnte man das Ganze „retro“ bezeichnen und gutheißen, doch bereits nach einer Viertelstunde wurde es schon ziemlich unbequem. Holzsitze, schlecht bis gar nicht gepolstert und wenn ich mich nach hinten gelehnt habe, bog sich auch das restliche Dutzend der Sitze in meiner Reihe gleich mit in die gleiche Richtung. Ich persönlich fand den Film eher dürftig – nach drei Filmen ist das Thema und die Handlung doch irgendwie etwas aufgebraucht und die synchronisierten Stimmen auf Spanisch gaben mir dann den Rest, aber den Kindern hat es super gefallen und darum ging es uns ja. Nach dem Kino ging es noch nicht direkt zurück ins Heim. Júlio hatte vorher noch ein Restaurant ausgesucht, in dem wir mit allen Kindern essen konnten und da fuhren wir dann reichlich spät (der Film war erst um Mitternacht vorbei) hin. Einen Hamburger und Pommes mit Ketchup und dazu Cola für alle. Die Gesichter der Kinder strahlten und keiner musste dazu überredet werden, aufzuessen. Das ging auch so ganz gut. Am Ende kam dann noch die Besitzerin des Restaurants zu uns an den Tisch und sagte, die Kellner wären von den anderen Gästen gefragt worden, was denn das für eine Gruppe von Kindern sei und was man ihnen in die Hamburger gemischt hätte, dass sie sich so ruhig und gut benehmen. Bei den eigenen Kindern würde das nie so klappen, hätten einige gesagt. Wir mussten lachen, aber die Dame meinte es ernst und schloss sich dem Kompliment an. Die Kinder hätten sich super benommen und wir dürften gerne wiederkommen. Was für ein Abend! Kinder bestens zufrieden, Júlio zufrieden, Freiwillige zufrieden – besser hätte es nicht laufen können!
So verlief Ausflug Nr. 1 – der „kleine Ausflug“, der uns dank freundlichem Entgegenkommen sowohl des Kinos als auch des Restaurants „nur“ ca. 95 Euro gekostet hat – das sind gerade einmal fünf Euro pro Person für den Eintritt und eine Portion Popcorn im Kino und einen Hamburger mit Pommes und eine große Cola im Restaurant hinterher.
Vor dem Kinobesuch |
Hamburger und Pommes im beheizten Zelt |
José, Chicho und Javier im Kinosaal |
Joni freut sich |
So blieb uns von unseren gesammelten Spenden noch einiges übrig für den eigentlich geplanten Ausflug nach Córdoba in den Zoo. Der hat nicht stattgefunden, doch stattdessen haben wir etwas noch Schöneres und Eindrucksvolleres mit den Kindern unternommen. Júlio hat vorgeschlagen, dass wir (vorausgesetzt wir hätten genug Geld) auch für zwei Tage wegfahren könnten – nicht nach Córdoba, sondern noch ein Stück weiter. „Talampaya“ lautete unser Ziel. „Talampaya“ ist ein Nationalpark in der benachbarten Provinz „La Rioja“. Wüste, Klippen, Felsformationen, ein „Canyon“, einfach eine (besonders für uns deutsche Freiwillige, aber natürlich auch für die Kinder) atemberaubende Natur erwartete uns dort. 430 Kilometer „Ruta“ („Bundesstraße“) lagen vor uns, als wir uns am frühen Freitagmorgen auf den Weg machten. Mit den zwei Bullis und einem weiteren Auto aus dem Heim fuhren wir mit allen außer den Allerkleinsten los, doch unsere Fahrt sollte zunächst ein jähes Ende haben. Einen Kilometer außerhalb von San Marcos mussten wir schon wieder umkehren. Die Gangschaltung des Mercedes-Bullis war kaputt. Enttäuschung machte sich breit und die Unsicherheit, ob das auf die Schnelle repariert werden könnte, doch Adrián tat, was er konnte und anderthalb Stunden später konnte es dann doch richtig losgehen. 17 Kinder aus dem Heim plus wir fünf deutsche Freiwillige plus Júlio mit seinen Kindern Facundo und Cynthia sowie der ehemalige Mitarbeiter im Heim Daniél kamen gut sechs Stunden später dann in „Talampaya“ an. Der Weg dahin war ziemlich unspektakulär – immer geradeaus, rechts und links Sträucher und Bäume, sonst nix. Gerade einmal eine „richtige Tankstelle“ lag auf den gesamten gut 400 Kilometern. Verhältnisse, die im dicht besiedelten Europa schon unvorstellbar sind, doch das, was dann kam, übertraf alles. Ich dachte bis dahin, dass San Marcos schon abgeschieden läge, doch weit gefehlt. Auf den letzten 160 Kilometern haben wir lediglich ein kleines Dorf passiert, sonst NICHTS außer unglaublichen Panoramen rechts und links der „Ruta“. An einer kleinen „Estancia“ hatten wir uns angemeldet. Ein Haus im nichts. Ein kleines Restaurant, ein kleines Besucherzentrum, von dem aus Touristen ihre Trips durch den Nationalpark starten. Strom wurde mit einem Motor erzeugt, der nächste richtige Supermarkt lag 70 Kilometer entfernt, kein Handynetz, kein einziger Radiosender. „Abgeschnitten von der Außenwelt“ passte hier ganz gut. Nach kurzer Zeit hatten wir uns dort eingerichtet. Die dreieinhalb Zelte standen schnell auf dem lehmig-steinigen Wüstenboden und die Kinder genossen es, ein wenig herumzulaufen oder Volleyball zu spielen bei strahlendem Sonnenschein und an die 30 Grad. Keine festen Zeiten, keine Verpflichtungen – Urlaub! Die Kinder und Jugendlichen genossen es sichtlich aus dem Heimalltag herausgekommen zu sein und dann noch die schöne Umgebung! Wir waren die einzigen Übernachtungsgäste in dieser Nacht und hatten so schon ab dem frühen Abend das gesamte Gelände „für uns“. Ein leckeres Abendessen für alle saß im Budget (dank eines Sonderpreises seitens der Betreiber des Restaurants und einem stark reduzierten Eintritts in den Nationalpark) auch noch drin und das große Stück Hähnchen mit Kartoffeln und Salat hat kaum jemand ganz aufbekommen. Gegen die Kälte nachts halfen die neuen Schlafsäcke, die Júlio extra vorher noch angeschafft hatte. Müde nach dem frühen Aufstehen, der langen Fahrt und der vielen Bewegung am Nachmittag waren die meisten allerdings nicht. Jedes Zelt wollte lauter als die Nachbarn singen und das artete zwischenzeitlich etwas aus, bis Daniél ein kleines Machtwort sprach und (zumindest für einen Moment) für Ruhe sorgte. Schließlich stand am nächsten Morgen die Tour mit Kleinbussen durch die Wüste an und dafür sollten ja alle fit sein. So fielen auch Leon, Derya, Tina, Uschi und ich in unsere provisorischen „Betten“. Leon, Derya und ich haben auf Matratzen zwischen den Sitzen des großen Bullis gepennt und Uschi und Tina machten es sich (soweit es denn eben ging) in dem anderen Auto bequem. Uschi trauerte wahrscheinlich noch ein wenig ihrer halben Zehennagel hinterher, der sich auf einem Spaziergang und einer schmerzhaften Begegnung mit einem Busch mit Stacheln von ihr getrennt hatte. Dass ihre Flip-Flops nicht wüstentauglich sind hat Uschi jetzt auch verstanden, der große Zeh tat böse weh, wurde verbunden und Uschi war ab sofort Humpelstilzchen. Júlio schüttelte nur den Kopf.
Entgegen aller meiner Erwartungen habe ich ziemlich gut geschlafen und war fit, als am Samstagmorgen die Sonne aufging und wir uns raus aus dem Bulli, rein in den Waschraum und dann zum Freiluftfrühstück begaben. Um halb neun ging es dann mit zwei Kleinbussen raus in die wirkliche „Wildnis“. Die asphaltierte Straße hörte nach kurzer Zeit auf und durch Sandspuren schaukelte uns der Busfahrer mitsamt Nationalpark-Führerin durch „Talampaya“. Vogelsträuße, Füchse und einige lamaähnliche Tiere, dessen Namen ich vorher noch nie gehört und bis jetzt auch schon wieder vergessen habe, lebten dort in freier Wildbahn. Umgeben von 150 Meter hohen Felsklippen fuhren wir durch den „Canyon“, hielten zwischendurch immer wieder an um Tiere zu beobachten oder uns alte Gravuren der Indigenas anzusehen, die hier anscheinend vor Jahrhunderten gelebt haben. Die Führerin erklärte den Kindern und uns wie solch ein „Canyon“ entsteht und auch sonst so einiges über Flora und Fauna in der Gegend. Die Kinder blickten neugierig um sich.
„Está joooya!“ –
(ungefähr wie „Ist das geeeil!“, wörtlich wäre es etwa: "Ist das ein Schmuckstück!") - ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz aus Josés Mund gehört habe.
Es war ein Erlebnis! Knapp zwei Stunden dauerte die Exkursion, bevor wir nach einem „Choripan“ (eine Art Bratwurst im Brötchen) zum Mittagessen schon wieder die Sachen zusammenpacken mussten. Daniél fuhr nicht wieder mit uns zurück. Seine Schwester wohnt „in der Nähe“ (argentinische Verhältnisse = vielleicht ein paar Stunden) und feierte an dem Wochenende Geburtstag. Das heißt, ein Platz im Auto wurde frei – ein Fahrerplatz. Er war auf dem Hinweg den Mercedes-Bulli gefahren. Hier kamen Leon und ich ins Spiel. Wir wechselten uns ab – die ersten 250 Kilometer bin ich gefahren, die restlichen 180 Leon. Kilometerstand beim Bulli? 594.000. Argentinien halt – hier geht das. Wir hatten zwischendurch zwar ein paar Probleme, die acht Jungs, die hinten saßen, ruhig zu halten, aber sonst hat alles gut geklappt. Wir wurden auf der Fahrt fünf Mal von der Polizei kontrolliert – ebenfalls normal für argentinische Verhältnisse. Nur einmal wurde nach dem Führerschein gefragt, einmal musste demonstriert werden, dass der Blinker funktioniert, einmal sollte der Fahrzeugschein vorgezeigt werden, die restlichen Male wurde nur geschaut, ob wir auch angeschnallt sind. Ziemlich willkürlich sind diese ganzen Kontrollen. Lediglich bei einer sind wir ein wenig ins Schwitzen gekommnen. „Sie wissen schon, dass Sie die Kinder da hinten im Bulli so nicht mitnehmen können, oder?“ – dass das nicht ganz vorschriftsmäßig war, wussten Leon und ich, hat sich bis dahin aber keiner drum geschert. Der Polizist leuchtete mit seiner Taschenlampe in den Bulli, der hinten lediglich eine Ladefläche und Matratzen hatte und ein paar provisorisch befestigte Gurte – die waren aber mehr für das gute Aussehen. Leon hat in dem Moment die Frage des Polizisten nicht verstanden. Er musste sie zwei Mal wiederholen. Ich habe sie Leon dann auf deutsch gesagt, wusste aber auch nicht richtig, was wir darauf antworten sollten. Júlio wartete gut 50 Meter vor uns im großen Bulli. Unser Glück: Hinter bildete sich bereits eine Autoschlange, sodass der Polizist etwas unter Druck geriet, also winkte er uns schließlich doch durch. Alles gut gegangen. Das sind Dinge, an die ich mich hier ehrlich gesagt schon gewöhnt habe, über die ich am Anfang meines Jahres unglaublich den Kopf geschüttelt habe und die in Deutschland ebenfalls absolut undenkbar wären – damit meine ich sowohl die Art, wie wir da gefahren sind (viel zu viele Leute im Auto, keine vorschriftsmäßigen Sitze, kein TÜV) als auch die Reaktion des Polizisten (er sieht, dass etwas nicht in Ordnung ist, bringt das sogar zur Sprache, verfolgt es dann aber nicht weiter). Andere Länder – andere Sitten eben.
Am Sonntag und Montag gab es dann einen ordentlichen Berg Wäsche im Heim. 20 Kinder, viel Sand, Staub, Steine – da fällt einiges an, weiß die Hausfrau oder eben wir „tios“. Gut, dass das Wetter mitspielte und die warme Sonne all die Klamotten schnell trocknete.
…und das war „Talampaya“ – unser „großer Ausflug“, mit dem wir bei den Kindern voll ins Schwarze getroffen haben. „Wann fahren wir wieder hin?“ wurde ich alleine heute zwei Mal gefragt. Anstrengend war es zwar auch (sehr sogar!), aber es hat sich mehr als gelohnt! Ich möchte mich hier noch mal bei allen bedanken, die das möglich gemacht haben – unseren Spendern, und hier noch einmal im Besonderen „meinen Spendern“:
Moiken
Eva und Michael
Mareen
Linda
Annika
Monique
Alexa
Philip
Oma und Opa
Mechthild und Mathias
Amke und Udo
David
Tim-Lucas
Silvia
Philipp und Sarah
Lena
Mama und Papa
Günter S.
Detlef und Manuela
Günter S.
Detlef und Manuela
Wir hätten es ohne die Unterstützung aus Deutschland nie so etwas Tolles organisieren können. Es wird den Kindern sicherlich noch sehr lange in Erinnerung bleiben, mir wird es das in jedem Falle! Gracias a todos!
Dass der Ausflug jetzt in der Vergangenheit liegt, soll natürlich nicht bedeuten, dass das Heim nicht auch weiterhin Spendengelder gut gebrauchen kann. Wir freuen uns über jeden Euro bzw. Peso, der uns und die Kinder als Spende erreicht, denn auch wenn wir unser „großes Ziel“ jetzt erreicht haben, den Kindern einen tollen Ausflug zu bieten, gibt es immer noch tausend kleine Dinge, für die jeder Betrag hilfreich ist – ein paar Farben zum Malen, Tonkarton zum Basteln, das eine oder andere Spiel oder eben die Packung Kekse und das Glas Limonade für den nächsten Ausflug auf den kleinen Spielplatz auf der Plaza.
GRACIAS! |